Sonntag, 30. Dezember 2012

Pro - und Kontra-Debatte psychiatrische Zwangsbehandlung



Pro
Menschen in schweren seelischen Krisen - beispielsweise aufgrund einer Psychose  - droht der Verlust der wirtschaftlichen Grundlage, Mietverhältnisse geraten wegen Verstößen gegen die Hausordnung in Gefahr. Nicht selten führen diese Krisen mit langer Schlaflosigkeit und fehlender Nahrungsmittelaufnahme zu somatischen Problemen. Für Menschen in solchen Situationen sollte eine Zwangsbehandlung im Rahmen enger gesetzlicher Vorgaben auch in Zukunft als letztes Mittel möglich sein.
Problematisch ist hierbei sicherlich, dass Behandlung im Kontext einer akut-psychiatrischen Krankenhausaufnahme fast immer als medikamentöse Behandlung – u.U. flankiert von psychoedukativen Maßnahmen – verstanden wird. Andere Behandlungsformen wie die Psychotherapie sind in der Regel in der Akutbehandlung nicht vorgesehen und werden weder vom etablierten klinischen System noch durch die Krankenkassen gefördert. Diese Behandlungsformen sind ebenso in den Aufnahmestationen auszubauen, wie die Zahl von Pflegekräften , um das Maß der Zwangsbehandlungen so niedrig wie möglich zu halten.  Ein völliger Verzicht auf die (initiale) Zwangsbehandlung würde in der Zukunft dazu führen, dass die Psychiatrie für eine PatientInnengruppe nur noch verwahrenden Charakter bekäme. Damit würde man an heute eientilch überkommende Zeiten anknüpfen – mit allen negativen Folgen für die PatientInnen. 

Kontra
Die breite Diskussion um die Zwangsbehandlung hat außerhalb antipsychiatrischer Bewegungen erstmals die klinische Psychiatrie und den gemeindepsychiatrischen Bereich erreicht. Dies liegt in verschiedenen Gerichtsurteilen begründet, die zum momentanen Zeitpunkt psychiatrische Zwangsbehandlungen überwiegend verbieten.  Die Verunsicherung aufgrund der aktuellen Rechtslage hat dazu geführt, dass in den meisten psychiatrischen Kliniken bis zur Klärung der Rechts- bzw. Gesetzeslage keine Zwangsbehandlungen mehr durchgeführt werden. In der Folge zeigen sich erste positive Entwicklungen, d.h. die Kultur in einigen Kliniken wandelt sich. Der Faktor Zeit bzw. das Sich-für-die-PatientInnen Zeit-Nehmen erlangt immer größere Bedeutung und zeigt bereits Erfolge im Sinne der Verständigung zwischen PatientInnen und BehandlerInnen.  Ein Fortbestehen des Zwangsbehandlungsverbot wird die einzige Möglichkeit sein, diese positiven Entwicklungen weiter zu fördern. Der mitunter einhergehende ökonomische Druck (der im Übrigen mit den der Umstellung des Vergütungssystems weiter zunehmen wird) würde in Zukunft als Forderungen an die Krankenkassen kanalisiert. Eine Rückkehr zu legitimierten Zwangsbehandlungen – auch unter der Berücksichtigung enger gesetzlicher Vorgaben  – wird aufgrund von unveränderter Personalknappheit und mangels finanzierbarer Alternativen (z.B. Soteria) bei jenem Teil der PatientInnen, der Zwangsbehandlungen erlebt, wieder zu einer Abkehr von der Psychiatrie führen.

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