Pro
Menschen in schweren seelischen Krisen - beispielsweise
aufgrund einer Psychose - droht der
Verlust der wirtschaftlichen Grundlage, Mietverhältnisse geraten wegen Verstößen
gegen die Hausordnung in Gefahr. Nicht selten führen diese Krisen mit langer
Schlaflosigkeit und fehlender Nahrungsmittelaufnahme zu somatischen Problemen.
Für Menschen in solchen Situationen sollte eine Zwangsbehandlung im Rahmen
enger gesetzlicher Vorgaben auch in Zukunft als letztes Mittel möglich sein.
Problematisch ist hierbei sicherlich, dass Behandlung im
Kontext einer akut-psychiatrischen Krankenhausaufnahme fast immer als medikamentöse
Behandlung – u.U. flankiert von psychoedukativen Maßnahmen – verstanden wird. Andere
Behandlungsformen wie die Psychotherapie sind in der Regel in der
Akutbehandlung nicht vorgesehen und werden weder vom etablierten klinischen
System noch durch die Krankenkassen gefördert. Diese Behandlungsformen sind
ebenso in den Aufnahmestationen auszubauen, wie die Zahl von Pflegekräften , um
das Maß der Zwangsbehandlungen so niedrig wie möglich zu halten. Ein völliger Verzicht auf die (initiale) Zwangsbehandlung
würde in der Zukunft dazu führen, dass die Psychiatrie für eine
PatientInnengruppe nur noch verwahrenden Charakter bekäme. Damit würde man an
heute eientilch überkommende Zeiten anknüpfen – mit allen negativen Folgen für
die PatientInnen.
Kontra
Die breite Diskussion um die Zwangsbehandlung hat außerhalb
antipsychiatrischer Bewegungen erstmals die klinische Psychiatrie und den
gemeindepsychiatrischen Bereich erreicht. Dies liegt in verschiedenen Gerichtsurteilen
begründet, die zum momentanen Zeitpunkt psychiatrische Zwangsbehandlungen
überwiegend verbieten. Die
Verunsicherung aufgrund der aktuellen Rechtslage hat dazu geführt, dass in den
meisten psychiatrischen Kliniken bis zur Klärung der Rechts- bzw. Gesetzeslage
keine Zwangsbehandlungen mehr durchgeführt werden. In der Folge zeigen sich
erste positive Entwicklungen, d.h. die Kultur in einigen Kliniken wandelt sich.
Der Faktor Zeit bzw. das Sich-für-die-PatientInnen Zeit-Nehmen erlangt immer
größere Bedeutung und zeigt bereits Erfolge im Sinne der Verständigung zwischen
PatientInnen und BehandlerInnen. Ein
Fortbestehen des Zwangsbehandlungsverbot wird die einzige Möglichkeit sein,
diese positiven Entwicklungen weiter zu fördern. Der mitunter einhergehende
ökonomische Druck (der im Übrigen mit den der Umstellung des Vergütungssystems
weiter zunehmen wird) würde in Zukunft als Forderungen an die Krankenkassen
kanalisiert. Eine Rückkehr zu legitimierten Zwangsbehandlungen – auch unter der
Berücksichtigung enger gesetzlicher Vorgaben – wird aufgrund von unveränderter Personalknappheit
und mangels finanzierbarer Alternativen (z.B. Soteria) bei jenem Teil der PatientInnen,
der Zwangsbehandlungen erlebt, wieder zu einer Abkehr von der Psychiatrie
führen.
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